BUNDESVEREINIGUNG DER MILIZVERBÄNDE

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Covid 19 – Mobilmachung von Milizeinheiten
 Ausgangslage – Lehren – Schlussfolgerungen

Presseaussendung der Bundesvereinigung vom 22. 05. 2020

 

Foto: Bundesheer/Helmut Steger

 

Von Interesse ist die „Herkunft“ der Milizsoldaten: Von diesen hat sich rund ein Drittel freiwillig für eine Milizverwendung gemeldet, die restlichen zwei Drittel umfassen so genannte „befristet Beorderte“. Auf Grund des Wehrgesetzes ist eine solche befristete Beorderung für einen bestimmten Anteil eines Jahrganges für die Dauer von fünf Jahren nach Ableistung des Präsenzdienstes möglich.

 

Aufgabe der Milizsoldaten bei diesem Einsatz ist es, die Grundwehrdiener, deren Präsenzdienst um zwei Monate verlängert worden war, nach dem Auslaufen dieser Frist, zu ersetzen und die Sicherheitsbehörden bei der Abwicklung von deren Aufgaben zu unterstützen. In weiterer Folge ist geplant, die Milizverbände durch die aktuell einrückenden Grundwehrdiener abzulösen.

 

Mobilmachung - Mutiger Schritt

 

„Diese Mobilmachung war ein mutiger Schritt, zu dem der Bundesministerin für Landesverteidigung nur gratuliert werden kann“, führt Brigadier Dr. Michael Schaffer, Präsident der Bundesvereinigung der Milizverbände, aus. Für Brigadier Schaffer wurde mit der Mobilmachung nicht nur Neuland betreten, sondern darüber hinaus auch ein  Schritt gesetzt, der von den politisch und militärisch Verantwortlichen in den letzten Jahrzehnten unter Vorspiegelung verschiedenster Gründe nicht gesetzt worden ist, obwohl ausreichend Anlass dazu bestanden hätte (z.B. Sicherungseinsatz an der Grenze zum damaligen Jugoslawien im Juni/Juli 1991).

 

„Damit hat die Ministerin die Schallmauer der politischen und militärischen Verhinderer eines Einsatzes der Miliz durchbrochen. Es ist ja hinlänglich bekannt, dass die „Miliz“ vielfach nur als Lückenbüßer angesehen wird, die Lücken im Bestand der Berufskadersoldaten ausfüllen darf. Ein Beispiel dafür sind die Auslandseinsätze, die zu einem erheblichen Anteil von Milizsoldaten übrigens zur vollsten Zufriedenheit in punkto Eignung und Fähigkeiten versehen werden“, resümiert Brigadier Dr. Schaffer. Dieses Handeln und Denken stehe in krassem Widerspruch zu Art. 79 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes, welcher normiert, dass das gesamte Bundesheer nach dem Grundsatz eines Milizheeres auszurichten ist. Diese Verfassungsbestimmung resultierte vor allem aus der Erkenntnis heraus, dass für einen Kleinstaat wie Österreich ein stehendes Berufsheer immer zu klein sein wird und gleichzeitig zu teuer wäre und daher in Anbetracht des Kosten-Nutzenfaktors nur ein Milizbedarfsheer dem Sicherheitserfordernis Genüge tun könne.

 

„Auf die ständigen Versuche, dieses Verfassungsgebot zu negieren und in eine ganz andere Richtung zu arbeiten, die letztlich in der Berufsheerdebatte des Jahres 2013 gegipfelt hätten und denen in der Volksbefragung des 20. Jänner eine deutliche Absage erteilt wurde, möchte ich hier gar nicht mehr eingehen. Das hat die Bundesvereinigung der Milizverbände oft und pointiert – keineswegs zum Gaudium mancher Ressortvertreter – getan“, so Brigadier Schaffer weiter.

 

„Wichtig ist noch einmal zu betonen, dass Frau Bundesminister Klaudia Tanner einen wichtigen und mutigen Entschluss gefasst hat, hinter den es politisch künftig wohl auch kein Zurück mehr geben wird. Eine Mobilmachung der Miliz wird daher in künftigen Bedrohungsfällen immer wieder auf der Tagesordnung stehen, ist sich Brigadier Michael Schaffer sicher.

 

Dieser mutige Schritt könne natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die von BM a.D. Thomas Starlinger und Generalstabschef Robert Brieger aufgezeigten Mängel nach wie vor vorhanden sind und sich die Landesverteidigung insgesamt in einem desaströsen Zustand befindet. Insbesondere „die Miliz“ ist weit von ihrem verfassungsmäßigen Auftrag entfernt.

 

Resümee - Schlussfolgerungen

 

1. Wiederkehrende Übungen statt langwieriger Formierung:

 

Neben „freiwilligen“ Milizsoldaten wurden „befristet Beorderte“ einberufen. Während die erstgenannte Personengruppe auf Grund der Freiwilligenmeldung zumeist auf zahlreiche Übungen und Weiterbildungskurse verweisen kann (dabei handelt es sich mehrheitlich um Milizoffiziere und -unteroffiziere), haben die befristet Beorderten nach Abschluss ihres Grundwehrdienstes die Kaserne nicht mehr betreten. Mannschaften, Offiziere und Unteroffiziere kennen einander vielfach nicht, Vertrauen muss erst nach und nach aufgebaut werden! Um daher überhaupt einen einigermaßen einsatzfähigen Verband aufbieten zu können, ist nun eine wochenlange Wiederholungsschulung und Formierung erforderlich. Dies mag in einem sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz in Verbindung mit einer Pandemiebekämpfung noch irgendwie angehen, in einem Einsatz in einer höheren Eskalationsstufe ist das völlig unvertretbar! Für die Bundesvereinigung der Milizverbände sind wiederkehrende Übungen daher ein unbedingtes Muss!

 

 

2. Miliz zeitnah mobilmachen:

 

Die besondere Stärke einer Milizarmee sollte es sein, dass diese in großer Zahl sofort bzw. zeitnah (innerhalb weniger Tage) in den Einsatz geht. („Wer rasch hilft, hilft doppelt“). Es ist daher nicht vertretbar, dass zwischen Ankündigung (22. März) und Einberufung (4. Mai) rund 6 Wochen liegen. Die Schweizer Milizarmee benötigt drei Tage vom Auftrag bis zur Mobilisierung

 

 

3. Das System ist überfordert:

 

Der Berufsstand des Bundesheeres hat nicht damit gerechnet, dass die Miliz jemals mobilisiert wird, daher war das Bundesheer völlig unvorbereitet. Kennzeichen eines Milizheeres ist eine relativ kurze Ausbildung mit laufenden Wiederholungsübungen. Ohne obligatorische Übungen ist „Miliz“ keine Miliz. Ein langer Vorlauf zwischen Bekanntmachung, Einberufung und Einsatztauglichkeit hat negative Auswirkungen (Motivation nimmt ab, Befreiungen nehmen zu). Offensichtlich erwiesen sich aber unsere militärischen Dienststellen, als überfordert. So ließ der Befehl des Streitkräftekommandos, welche Verbände konkret mobilzumachen sind, 14 Tage auf sich warten. Statt eine Einberufung über die Truppennummer vorzunehmen (die hat jeder Milizsoldat auf seinem Bereitstellungsschein) wurden Einzelpersonen einberufen. Unklarheit bestand bis zuletzt auch in der Frage, ob eine Personalreserve vorzusehen sei und in welchem Umfang.

 

4. Die Folge der „Schattenorgpläne“ und der Verschleuderung von Ausrüstung

 

Obwohl in der Bundesheerreformkommission ein Bekenntnis dafür vorgelegen hat, Verbände strukturierter Miliz (im Wesentlichen sind dies 10 Jägerbataillone) aufzustellen, wurde dies von Anfang an sabotiert. So wurden diese Milizverbände in punkto Ausrüstung stiefmütterlich behandelt. Noch schwerwiegender war, dass punktuell vorhandene Ausrüstung in der Ära Klug/Commenda verscherbelt wurde und damit die Einsatzfähigkeit bewusst hintertrieben wurde. Auf dem Weg zu einem Berufsheer, stand und steht „die Miliz“ im Weg. In dieser Ära Klug/Commenda wurde übrigens auch der von den Milizverbänden nominierte Milizbeauftragte Brigadier Heinz Hufler „entsorgt.“

 

Um der Politik trotzdem die personelle und materielle Einsatzbereitschaft von Milizverbänden vorzutäuschen, wurden Organisationspläne („Orgpläne“) vorgelegt, die mit der Realität nichts zu tun haben. Bei den seltenen Übungen behalf man sich mit Abstellen von Personal, Befüllung der Übungsverbände mit Rekruten, Ausleihen und Verschieben der Ausrüstung quer durch Österreich. Genau das ist auch nun erforderlich, um einigermaßen ausgerüstet die Aufgaben übernehmen zu können. Dass eine rasche Aufbietung von Milizverbänden so nicht möglich ist, liegt auf der Hand und wird scheinbar von bestimmten Gruppen auch gar nicht gewollt. Die Mobilmachung eines Milizbataillons ist so nicht möglich!

 

5. Zu viele Befreiungen:

 

Auf den Zusammenhang von langem Vorlauf zwischen Bekanntmachung und Einberufung mit der Zahl der Befreiungen wurde bereits hingewiesen. An und für sich hat die Anzahl der Befreiungen mit rund 40% ein unvertretbares Ausmaß angenommen und wird – das kann als gesichert angesehen werden – von Gegnern des Milizheeres als Argument ins Treffen geführt werden. Um diesem Argument die Grundlagen zu entziehen ist eine genaue Darstellung der Befreiungsgründe  und der diese Befreiungen verfügenden Stellen erforderlich.

 

Die Stunde der Saboteure:

 

Die Grundhaltung mancher Stellen zur Miliz vermag der „Ärmelschleifenbefehl“ des Streitkräftekommandos zu beleuchten. Eine langjährige Gepflogenheit in Österreich kennzeichnet Soldaten im Assistenzeinsatz mir rot-weiß-roten Schleifen. Aus fadenscheinigen Gründen wurde das Abnehmen dieser Ärmelschleifen befohlen, was seitens der Bundesvereinigung der Milzverbände als Bosheitsakt und Stichelei empfunden wird. Erst ein Machtwort der Bundesministerin beendete diesen Unfug.

 

Diese Vorkommnisse verdeutlichen, dass das „System“ mit dem Einsatz der Miliz keine Freude hat. Für all jene, die die Miliz bisher als lästiges Beiwerk betrachtet haben, ist jetzt sprichwörtlich „Feuer am Dach“. Denn mit so einem Einsatz hat niemand dieser Herrschaften gerechnet, daher laufen weder die Kommunikation noch Aufbietung etc. rund. Diesen Saboteuren von Österreichs Verfassung und Wehrsystem gilt es daher mit aller Entschiedenheit entgegen zu treten.

 

„Wir anerkennen und honorieren den Mut der Bundesregierung bzw. der  Bundesministerin zur Entscheidung Milizverbände aufzubieten und mobil zu machen. Das ist uneingeschränkt positiv zu bewerten. Allerdings wurde auch der Beweis erbracht, dass diese „Mini-Mobilmachung“ nicht friktionsfrei zu bewältigen war. Es gilt  daher die Schlussfolgerungen daraus zu ziehen und die Mängel schonungslos zu analysieren. Fest steht schon jetzt, dass ein auf einem Berufsheer fußendes System für Österreich keinen Mehrwert bringen kann und dass ein Durchbruch des verfassungsmäßig gebotenen Milizsystems nur dann erzielt werden kann, wenn wieder Volltruppenübungen durchgeführt werden“, so Brigadier Michael Schaffer abschließend.

Ausgangslage:

 

Am 4. Mai wurden in Folge der Covid 19-Pandemie erstmals in der Geschichte des Bundesheeres 13 Milizkompanien zur Unterstützung der Sicherheitsbehörden mobilgemacht. Von den geplanten 2.300 Soldaten traten rund 1.400 Soldaten tatsächlich ihren Dienst an. Die Differenz ergibt sich auf Grund von ca. 900 genehmigten Befreiungsanträgen.

 

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