Am 20. Jänner 2013 erteilte das befragte Volk dem Vorschlag zur Einführung eines Berufsheeres in Österreich eine klare Absage. Das Volk bewies damit mehr Weitsicht als manche Politiker und vor allem deutlich mehr Gespür als der Generalstab als zentrales Beratungsgremium der mehr oder weniger sachunkundigen Ressortminister. Der 20. Jänner ist somit zu einem Fixpunkt in der wehrpolitischen Debatte in Österreich geworden, an dem vor allem die „wehrpolitisch relevanten Verbände“ in Presseaussendungen oder Pressekonferenzen die Lage des Bundesheeres aus ihrem jeweiligen Blickwinkel beleuchten. Der Ruf nach mehr Geld für die Landesverteidigung ist ständiger Begleiter dieser Statements. Genauso konstant wird aber DIE zentrale Frage unseres Wehrsystems ausgeblendet oder auf diese nur verschämt hingewiesen.
Ausgestaltung des Bundesheeres verfassungswidrig- wo bleiben rechtliche Konsequenzen?
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Diesbezüglich ist mit aller Klarheit festzustellen, dass das Bundesheer in seiner jetzigen Konfiguration dem Verfassungsauftrag widerspricht. Gemäß Artikel 79 des Bundes-Verfassungsgesetzes ist das Bundesheer „nach den Grundsätzen eines Milizsystems einzurichten“. Wie der Rechnungshof in seinem aktuellen Bericht zur „Miliz“ feststellte, sollte das Bundesheer „aus einer niedrigen Zahl an (stets) präsenten Kräften und einer vergleichsweise hohen Anzahl an – im Einsatzfall – mobilgemachten Kräften“ bestehen. Auf dem Papier beträgt die Soll–Gesamteinsatzstärke des Bundesheeres 55.000 Soldatinnen und Soldaten, wobei der Milizanteil daran mit 64 % zu Buche schlägt. Alles in Ordnung also? Keineswegs! Sieht man sich die Zahlen konkret an, so sind nur rund 54 % des Milizanteiles auch tatsächlich übungspflichtig, der Rest besteht aus so genannten „befristet Beorderten“, die im Anschluss an den abgeleisteten Präsenzdienst auf die Dauer von fünf Jahren beordert werden, aber tatsächlich nie üben, weder als Einzelsoldaten, noch im Verbandsrahmen. Trotz aller „Bemühungen“ des Ressorts konstatierte der Rechnungshof im Berichtszeitraum 2017-2021 sogar noch eine Verschlechterung der Situation. Während sich der Anteil der übungspflichtigen Soldaten um rund sieben Prozent sogar noch verringerte, stieg jener der „befristet Beorderten“ um diesen Prozentsatz. Auch verschiedene Werbemaßnahmen („Dienst für Österreich“ etc.) waren bisher nicht geeignet, eine gegenläufige Entwicklung herbeizuführen. Welche Auswirkungen diese Entwicklung in der Praxis hat, verdeutlichte der „Pandemie-Einsatz“, zu dem erstmals in der Geschichte der II. Republik Milizsoldaten mobilgemacht wurden. Wochenlange Schulungen und Vorlaufzeiten waren für diesen Einsatz erforderlich.